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Die richtige Mischung aus Fertig und Los
Als ich beim Boot ankam hätte mir schon klar sein können, dass ich, anders als gedacht, nicht nach zwei oder drei Tagen, sondern frühestens nach einer Woche Basteln, Pflegen, Vorbereiten loskommen würde. Weil dieses Mal noch andere, nicht boots- oder reisebezogene Dinge dazukommen, wird es sogar noch mehr. Bastelzeit ist aber auch diesmal ziemlich genau eine Woche. Donnerstag bin ich hier angekommen, heute ist Dienstag, den Tag morgen brauche ich noch für den Abschluss der Arbeiten, und wenn ich das richtig sehe, dann heißt einen Tag einplanen etwa zwei Tage Arbeit.
Dabei hatte dieses Mal alles so gut angefangen: Zwei Aufgaben zur Weiterentwicklung standen auf der Liste: Den AIS-Transponder einbauen und die Sprayhood wieder montieren (komplett, also Beschläge setzen, Gestänge montieren, Tuch aufziehen). Zwei bis drei Tage hatte ich dafür eingeplant.
Dazu dann die üblichen Reisevorbereitungen: Einkaufen, Deck waschen, bewegliche Teile schmieren, Segel anschlagen, Vorschiff unter Deck aufräumen, Diesel und Wasser checken usw.
Im Hinterkopf hatte ich -- und erst jetzt wird mir klar, dass ich das gleich hätte einplanen müssen -- die große Motorwartung. Der Motor ist inzwischen etwas mehr als fünfhundert Stunden gelaufen. Davon etwa 250 Stunden in den letzten drei, vier Jahren, allein im letzten Jahr wegen der langen Fahrt etwa 150 Stunden. Das spiegelt allerdings nicht ganz sein stolzes Alter von inzwischen 35 Jahren. Die Wartung war (ist!) also wirklich fällig. Das Betriebshandbuch listet ein paar Dinge, die alle fünfhundert Stunden zu machen sind, zusätzlich zu den Punkten, die alle 250 Stunden und alle hundert Stunden auf der Liste stehen. Also durchaus große Baustelle. Spezial 500 sind Kontrolle und gegebenenfalls Austausch von Thermostat und Zinkanoden, außerdem Einstellung der Dieseldüsen. Die Dieselgeschichten kann ich nicht selber machen, dafür braucht man ein Prüfgerät. Aber Thermostat und Zinkanoden, das sieht im Handbuch nicht so kompliziert aus.
Nachdem ich gleich am ersten Tag den Großeinkauf für die nächsten Wochen erledigt hatte, fing ich am Nachmittag mit dem Motor an. Der Deckel des Thermostats ließ sich leicht lösen, das Thermostat selbst nicht so sehr. Erst mit der Zange krieg ichs rausgezerrt. Beim Nachlesen im Handbuch dauert es eine Weile, bis ich den Kühlkreislauf, die Funktion des Thermostats und die Zustände des Thermostats verstehe. Aber dann wird klar, dass das Thermostat kaputt ist. Obwohl es kalt ist, ist es offen, es sollte aber geschlossen sein. Blöd. Andererseits Glück im Unglück. Und gleich doppelt! Einmal hat das dazu geführt, dass der Motor trotz kaputtem Thermostat gelaufen ist. Nicht optimal, weil er lange kalt bleibt -- es fließt ständig Kühlwasser durch die Kühlkanäle, auch wenn der Motor kalt ist und das Thermostat dafür sorgen sollte, dass das Kühlwasser nicht durch den Motor fließt. Aber damit überhitzt der Motor nicht. Wäre das Thermostat im geschlossenen Zustand stehen geblieben, hätten wir Probleme bekommen, möglicherweise in einem ungünstigen Moment (Hafeneinfahrt, Anlegen usw.). Zweites Glück im Unglück: das offene Thermostat ließ sich mit der Zange rausziehen. In geschlossenem Zustand gibts nichts, wo man mit der Zange angreifen könnte.
Nach der Ausbauaktion -- zu der natürlich auch das komplette Entwässern des Motors gehörte -- rief ich bei diversen Firmen an, um sofort ein neues Thermostat zu bestellen. Ich wollte ja in zwei Tagen schon los! Leider war Samstag 14 Uhr. Entweder war niemand da oder man vertröstete mich auf Montag. Aber Montag bestellen würde langes Warten bedeuten. O Niedergeschlagenheit, da war sie wieder.
Andererseits hatte diese Aktion gerade einen guten halben Tag gedauert. Der ursprüngliche Plan war eh im Eimer. Aber anyway: Deckwaschen. Musste ja gemacht werden. Beim Anschließen des Schlauchs dran gedacht, dass der Abwasserschlauch in der Pantry ziemlich zugewachsen ist. Vor eineinhalb Jahren war das schonmal, damals hatte geholfen, den Abfluss mit Druck durchzuspülen. Mach ich doch mal eben vor dem Deckwaschen. Also Schlauch angeschlossen, Schlauchende auf den Abfluss gehalten, Abfluss vom zweiten Becken zugehalten, Wasser Marsch.
Druck reicht nicht aus, weil das Wasser neben dem Schlauch ins Becken drückt. Klar. Also Lappen suchen, um das Schlauchende wickeln, das dann auf den Abfluss drücken, zweiter Versuch. Jetzt hält der Druck, auch wenn natürlich ein bisschen Wasser ins Becken drückt. Ich lasse laufen, bis das Becken voll ist. Wasser stop. Oh, unterm Waschbecken ist auch Wasser. Wo kommt das denn her? Oh, das läuft auch die Wand runter. Damn. Und auf dem Bodenbrett steht eine kleine Lache. Klar, der Abfluss ist echt nicht für hohen Druck gebaut. Wenn normal Wasser abfließt, ist alles dicht, aber mit der Aktion hab ich einiges durch die Dichtungen unterm Waschbecken gedrückt. So ein Blödsinn. Also Aufwischen, sauber machen, trocknen. Dann Pause. Dauer der Aktion: Zwei Stunden. Deck waschen drei Stunden. Halber Tag vorbei.
Beim Anschlagen des Großsegels entdecke ich, dass eine Klampe am Mast locker sitzt. Die, die das Großfall hält, oder zumindest zusätzlich zur Klemme noch sichert. WTF? Ich hole einen Schraubenzieher und demontiere die Klampe. Eins der zwei Schraubenlöcher ist so korrodiert, dass das Gewinde nicht mehr hält. Also neues Gewinde schneiden, Schrauben eine Nummer größer. Gewinde schneiden geht schnell, insgesamt eine Stunde. Kann ich ja noch die anderen Klampen checken. Oh, die fürs Fockfall bewegt sich auch. Also Schrauben raus. Gewinde aber in Ordnung. War mit Dichtmasse angesetzt, deshalb keine Korrosion. Gewinde geschmiert, Schrauben wieder rein, ohne Dichtmasse. Verschlimmbessern ist eben auch eine Lösung.

Die Liste geht noch weiter. Irgendwann fällt mir die titelgebende Formulierung ein: Man muss die richtige Mischung zwischen fertig und los finden. Die erste Klampe war nötig, da war was kaputt. Aber die zweite? Saß prima, hätte gehalten, unnötiger Aufwand. Und solche Dinge gibt es immer wieder viele. Statt alles auf Los zu setzen, setze ich auf Fertig, und vergesse dabei, dass dieser Zustand nie erreicht werden kann. Wenn man ohne Einschränkung anfängt, am Boot zu arbeiten, dann wird man nicht fertig. Hab ich selbst nie geglaubt, wenn ich das gelesen hab, als ich noch kein Boot hatte. Früher bin ich gesegelt, Basteln war nur selten nötig. Allerdings wünsche ich mir die Tage als Lohnskipper und Segellehrer auch nicht wirklich zurück. Ist ein ganz anderes Segeln als jetzt.

Was ist aber die richtige Mischung aus Fertig und Los? Ich hab keine Ahnung. Ich geh den Weg jedes Mal wieder neu. Fange an mit Fertig, und wenn dann zig Baustellen eröffnet und einige Dinge abgearbeitet sind, dann kommt langsam das Los. So vom Gefühl her. Dann will ich wirklich los. Und meistens geht es dann auch bald los. Nur noch dies und das schnell erledigen. Und dann aber wirklich ...

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