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Herbstsonne
Nach einer anstrengenden Nacht hat sich am Morgen alles wieder beruhigt. Der
Wind weht mit sechs Beaufort und hat etwas südwestlich gedreht, sodass der
Hafen wieder ruhig ist. Der Wetterbericht spricht auch nicht mehr von
'schweren' Schauer- und Gewitterböen, sondern von Schauer- und Gewitterböen
tout court.
Gestern, bei einem langen Spaziergang zur Boddenseite, an einer Pferdekoppel
vorbei, durch einen alten Mischwald und dann ein ganzes Stück am Jasmunder
Bodden entlang, musste ich daran denken, mit welcher Zuversicht ich früher auf
Booten unterwegs war. Starkwind in der Biskaya mit meterhohen Wellen, ich
wurde von den Schiffsbewegungen in der Vorschiffskoje regelmäßig in die Luft
gehoben. Und konnte trotzdem zwischendurch gut schlafen. Das ist jetzt bald
zwanzig Jahre her. Und in diesen zwanzig Jahren habe ich weitere
Segelerfahrung gesammelt, auch Starkdwindsituationen erlebt (allerdings nur
wenig wirklich Extremes), bin seit zehn Jahren mit dem eigenen Boot unterwegs,
das ich inzwischen sehr gut kenne. Trotzdem bin ich ängstlicher geworden.
Einmal im positiven Sinn der Furcht, die vor dem Ablegen zu guter Vorbereitung
beiträgt, damit man nach dem Ablegen sicher sein kann, auf alles vorbereitet
zu sein. Dann aber auch Angst im negativen Sinn, die lähmt, hindert, den Spaß
verdirbt.
Als in der letzten Nacht also die Böen im Rigg heulten und das Boot auf die
Seite drückten habe ich versucht, an diese frühe Zuversicht wieder
heranzukommen. An das Vertrauen ins Boot und alle an Bord, dass alle
anstehenden Situationen gemeistert werden. Dass wir das Boot gut gesichert
haben und dass deshalb in den nächsten Stunden sowieso nichts mehr zu machen
ist außer schlafen. Während ich das so dachte legte sich das Boot nochmal
heftig in die Leinen und mir fiel auf, dass ich auf der luvwärtigen Bank lag.
Also nahm ich Decke und Kissen, zog auf die leewärtige Bank, legte mich
schlafen und jetzt, am nächsten Tag, weht der Wind weiter stark, aber scheint
auch die Sonne durch die Fenster, das Boot liegt nach der kleinen Winddrehung
auf Südwest wieder ruhiger, alles ist gut. Für morgen ist abnehmender Wind
angekündigt, dann segeln wir weiter.
Storm Chaser (wider Willen)
Losgefahren sind wir bei bestem Wetter. Am Horizont der Wettervorhersagen
deutet sich etwas heftigerer Wind schon an. Wir dachten: Das passt, machen wir
doch ein Starkwindtraining.
Bei sehr sonnigem, mildem Wetter segelten wir in Greifswald los, mit drei bis
vier Beaufort aus Südwest durch den Strelasund. Nachdem wir Stralsund passiert
hatten schlief der Wind ein und wir liefen das letzte Stück bis Barhöft unter
Motor. Eine Premiere: Obwohl ich seit vielen, vielen Jahren in dieser Gegend
unterwegs bin und oft an diesem Ort vorbei gefahren bin war ich noch niemals
in Barhöft.
Als wir ankommen ist es schon dunkel. Einige Boote sind im Hafen, viele Plätze
sind aber auch frei. Längsseits an der Mole liegt eine Yacht, um die schon die
Krangurte gewickelt sind. Die Saison ist eigentlich vorbei. Wir legen uns mit
Heckboje an den Steg. Zwei Plätze weiter liegt eine Charteryacht mit
ordentlich Crew, die sich einen Kommentar zu unserer Methode, auf den Steg zu
kommen -- das Freibord von Aimé ist so hoch, dass man vom Bug aus ein kleines
Stück runterspringen muss -- nicht verkneifen können ('gefährlich' usw.). Wir
springen drüber weg.
Eine Seite des Hafens ist Baustelle, hier werden neue Fingerstege ausgelegt,
man versucht den Platz für möglichst viele Boote zu nutzen. Vorgestellt habe
ich mir Barhöft immer als Seenotrettungs- und Lotsenhafen, ein Seehafen en
miniature noch im Boddenbereich, erste und letzte Station für alle, die nach
Westen wollen oder von Westen kommen. Barhöft ist aber natürlich auch:
Urlaubsort, Seglerhafen, und bald eben Marina. Der Preis für die Übernachtung
spricht auch nicht für mein romantisches Bild, wir zahlen für 11 Meter und
zwei Personen 20,5 Euro. Ein stattlicher Preis. Als ich letztes Mal am späten
Abend in der Dunkelheit von See kommend hier ankam bin ich nicht in den Hafen
gefahren, sondern habe geankert. Auch eine gute Option in der Gegend.
Von Barhöft aus segeln wir am nächsten Tag raus auf die Ostsee, an Hiddensee
vorbei, bei gutem Wind. Von der Nordspitze Hiddensees bis zum Kap Arkona
segeln wir mit einer kurzen Unterbrechnung unter Vollzeug und Schmetterling.
Das Wetter ist sonnig und warm. Die Luft ist etwas diesig, über uns zeigen
sich Cirruswolken, die sich nach Westen hin schon verdichten. Das Tief, das in
den nächsten Tagen Starkwind bringen soll, kündigt sich an.
Als kleiner Vorgeschmack frischt bei Kap Arkona der Wind auf gut fünf
Beaufort auf. Das Boot beschleunigt stark, wird extrem nervös und ist kaum
noch auf Kurs zu halten. Wir schiften das Großsegel und bergen mit Mühe die
große Genua. Um nicht zuviel Höhe zu verlieren drehen wir nur unter Großsegel
ins Tromper Wiek. Dann packen wir die Genua zusammen, setzen unsere
Starkwindfock, reffen das Groß und segeln entspannt weiter nach Glowe.
Im Hafen liegen nur Dauerlieger, außer uns sind keine Yachten hier, die
irgendwie unterwegs wären. Alle sind vor den anrückenden Tiefs in die
Boddengewässer gefahren, weiter südlich sind die Häfen nicht ganz so
exponiert, Stralsund etwa, oder noch weiter südlich dann Greifswald, wo der
Wind erstmal eine ganze Weile über Land wehen muss und dadurch gut gebremst
wird.
Aber wir sind ja Storm Chaser, wir suchen den Wind, wollen bei Starkwind aus
West ein wenig im Tromper Wiek, der weitläufigen Bucht südlich von Kap Arkona,
trainieren. In der Bucht ist man vor den hohen Wellen geschützt, die sich
draußen auf der Ostsee bei Starkwind sehr schnell aufbauen. Wir wollen ein
wenig testen, wie sich Aimé bei Starkwind manövrieren lässt, wie das beste
Setup fürs Beidrehen ist, zur Mittagspause dann ankern und sehen, wie gut das
funktioniert. Anfangs, als wir die Fahrt geplant haben, dachte ich sogar, dass
wir testweise ein Stück am Kap vorbei auf die offene See steuern könnten, um
unter echten Seebedingungen bei sieben bis acht Beaufort und zwei bis drei
Meter hohen Wellen das Beidrehen zu testen. Aber das war vor der Abfahrt,
zuhause am Schreibtisch oder auf dem Sofa, da habe ich oft solche Ideen, die
sich später, unterwegs, als zu weitreichend zeigen.
Seit gestern nachmittag liegen wir also in Glowe. An Starkwindtraining denkt
hier niemand mehr. Heute zwischen vier und fünf zog wie angekündigt eine
Wetterfront durch und brachte regen und Windböen bis neun Beaufort. Die
Situation erinnert mich an einen Sturm, den wir im
Hafen der Insel Fedje (Norwegen) abwettern mussten. Vielleicht war es dort
etwas schlimmer. Ich hoffe es jedenfalls. Jedenfalls war es keine besonders
gute Idee, bei Sturmwarnung den zweitnördlichsten seeseitigen Hafen von Rügen
anzulaufen, um von hier aus Starkwindtraining zu machen. Dabei ist der Hafen
von Glowe noch recht gut geschützt. Die Hafeneinfahrt geht zwar nach
Westnordwest, der Hafen ist aber an der westlichen Seite der Tromper Wiek und
deshalb nach Westen durch Landseite geschützt. Trotzdem bauen sich schon bei
diesem geringen Abstand zum Land durch den starken Wind ernstzunehmende Wellen
auf, die jetzt direkt in den Hafen stehen. Etwa 30-50 cm hohe Wellen laufen
unter dem Boot durch. An Bord fühlt sich das so an, wie
wenn man bei schönem Wind auf dem offenen Wasser unterwegs ist. Nur dass wir
hier an vier Leinen hängen und dass der Wind mit 7-9 Beaufort das Boot zum
Teil stark überholen lässt.
Wenn wir also mal Storm Chaser waren, dann sind wir jetzt von Jägern zu
Gejagten geworden. Die Wettervorhersage ist nicht berauschend, allerdings auch
nicht besonders schlimm. Die nächsten 36 Stunden sind weiterhin sechs bis
sieben Beaufort mit schweren Schauer- und Gewitterböen, also Böen mit 8-10
Beaufort, vorhergesagt. Wir haben das Boot mit zusätzlichen Leinen als
Safeguards gesichert, falls eine Vor- oder Achterleine brechen oder
durchscheuern sollte und wir das nicht merken in der Nacht. Es sollte also
doch irgendwie gehen. Nächstes Mal gehen wir dann wieder in einen Hafen, der
besser geschützt ist. In Stralsund weht der Wind 1-2 Beaufort weniger stark.
Das würde hier und jetzt einiges ausmachen. Man merkt das an den kurzen
Pausen, die der Wind macht, und an den Böen, wenn sie durchziehen. In den
Pausen ist es angenehm ruhig und gut erträglich, die Wellen ebben etwas ab,
alles beruhigt sich. Und mit der nächsten Bö legt sich das Boot wieder weit
über, die Leinen fangen an zu knarzen, der Wind pfeift und heult in den
Wanten, die Wellen lassen das Boot arbeiten.
Irgendwie also doch Starkwindtraining -- Schlechtwetter durchstehen im Hafen.
Auch das will allerdings geübt sein, und sei es nur für die Routine, die es
braucht, um sich bei diesen Bedingungen zwischendurch auch mal zu entspannen
oder zu schlafen.
Vom Starkwindtraining sind wir also abgerückt. Wir brauchen erstmal ein paar
Trainingstage bei weniger Wind und stabilem Wetter. Für Sonntag sind abflauende Winde vorhergesagt. Das soll, wenn sich nicht
nochmal was ändert, unser nächster Segeltag werden. Und dann geht es mit
Sicherheit wieder in die geschützteren Boddengewässer.
Die Ostsee stirbt
Vor einigen Jahren, als mir die Sache mit dem Klimawandel in ihrer unausweichlichen Konsequenz deutlich wurde, habe ich einen zynischen Plan gefasst: Wenn es soweit ist, dass das Nordpoleis abgeschmolzen ist, und nur noch kleine Eisschollen im Nordmeer treiben, dann fahre ich mit meinem Boot mit einer Flasche Champagner zum Nordpol und kühle den Champagner mit dem letzten Eis.
Weil das noch eine Weile dauert habe ich jetzt noch ein paar andere Punkte auf die Liste gesetzt. In ein paar Jahren soll es zum Great Barrier Reef vor Australien gehen, das heute schon zu großen Teilen abgestorben ist. Aber ein guter Teil ist auch noch schön und lebendig. Wenn ich dort also vorbeikomme, dann hole ich mir eine tote Koralle aus dem Meer, mahle sie zu Pulver und Staub, und trinke das dann für den Knochenaufbau (Kalzium!).
Weil es aber inzwischen besonders dringend erscheint -- die sogenannten toten Zonen breiten sich Jahr für Jahr weiter aus und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Gewässer kippt -- segeln wir dieses Jahr rund um die Ostsee.
Algen haben wir im August zwischen Rügen und Schweden schon erlebt. Diesmal scheint der Teppich besonders groß zu sein. Die Größe der Algenteppiche und die Größe der Todeszone hängen zusammen. Die Algen entziehen dem Wasser den Sauerstoff, außer den Algen stirbt alles, dann sterben auch die Algen und sinken auf den Boden, es wächst nichts mehr nach. Grund für die besonders heftige Algenblüte dieses Jahr sind die anhaltend hohen Wassertemperaturen und der üblich hohe Eintrag von Nährstoffen, insbesondere durch Düngemittel aus der Landwirtschaft. Düngemittel heißt auch: Kuhscheiße. Was macht das aus der Ostsee?
Ja, ich freue mich trotzdem auf die Reise.
Ein Malstroem aus Algen
"Summer Blooms in the Baltic and Barents"
Lesetip
Wow, Wilfried Erdmann postet auf seiner Webseite Auszüge aus dem Logbuch
seiner ersten Weltumsegelung, und daraus die Fahrt von Kapstadt nach
Helgoland. Danke, Wilfried!
http://wilfried-erdmann.de/segeltoerns/50jahre/50jahre.htm
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